Verzeihen ist die größte Heilung

Wenn ein Stammesmitglied der Babemba aus Südafrika ungerecht gewesen ist oder unverantwortlich gehandelt hat, wird er in die Dorfmitte gebracht, aber nicht daran gehindert wegzulaufen.

Alle im Dorf hören auf zu arbeiten und versammeln sich um den „Angeklagten“. Dann erinnert jedes Stammesmitglied, ganz gleich welchen Alters, die Person in der Mitte daran, was sie in ihrem Leben Gutes getan hat.

Alles, an das man sich in Bezug auf diesen Menschen erinnern kann, wird in allen Einzelheiten dargelegt. Alle seine positiven Eigenschaften, seine guten Taten, seine Stärken und seine Güte werden dem „Angeklagten“ in Erinnerung gerufen. Alle, die den Kreis um ihn herum bilden, schildern dies sehr ausführlich. Die einzelnen Geschichten über diese Person werden mit absoluter Ehrlichkeit und großer Liebe erzählt. Es ist niemandem erlaubt, das Geschehene zu übertreiben und alle wissen, dass sie nichts erfinden dürfen. Niemand ist bei dem, was er sagt, unehrlich und sarkastisch. Die Zeremonie wird so lange fortgeführt, bis jeder im Dorf mitgeteilt hat, wie sehr er diese Person als Mitglied der Gemeinde schätzt und respektiert. Der ganze Vorgang kann mehrere Tage dauern. Am Ende wird der Kreis geöffnet, und nachdem der Betreffende wieder in den Stamm aufgenommen worden ist, findet eine fröhliche Feier statt.

Wenn wir durch die Augen der Liebe sehen, wie es in der Zeremonie so schön sichtbar wird, entdecken wir nur Vergebung und den Wunsch nach Integration. Alle Mitglieder des Kreises und die Person, die in der Mitte steht, werden daran erinnert, dass durch Verzeihen die Möglichkeit gegeben wird, die Vergangenheit und die Angst vor der Zukunft loszulassen. Der Mensch in der Mitte wird nicht länger als schlecht bewertet oder aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Stattdessen wird er daran erinnert, wie viel Liebe in ihm steckt und dann wieder in die Gemeinschaft integriert.

Aus: Vera Birkenbihl: Story-Power

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2 Kommentare

  1. Zufällig habe ich gerade eine sehr ähnliche Situation erlebt:
    Eine Freund:in hat sich durch unüberlegtes Handeln in eine ziemlich unverantwortliche Situation gebracht. Im Rahmen der Aufarbeitung wurde meiner Freund:in die Aufgabe gestellt, andere Menschen zu bitten aufzuschreiben, was jede:r einzelne an ihr/ihm besonders schätzt. Auch ich wurde gefragt und habe dann einen kleinen Text dazu verfasst und abgeschickt.
    Viel später sprachen wir miteinander und ich erfuhr, wie glücklich meine Freund:in über die durchaus sehr unterschiedlichen Zuschriften war und wie sehr diese ganze Aktion geholfen hatte, die eine negative Begebenheit noch einmal zu reflektieren, sie zu relativieren und dann zu agieren, um damit ins Reine zu kommen.
    Als ich selbst darüber nachdachte kam bei mir fast eine Gefühl wie Neid auf: Ich möchte auch gerne einen Stapel Briefe bekommen, in dem steht, was die Menschen, die ich kenne an mir schätzen! Was wäre das für eine positive Erfahrung, grade wenn es mir mal nicht gut geht, könnte ich da kurz mal reingucken. Aber muss ich erst etwas Unverantwortliches tun, um danach fragen zu dürfen? Natürlich nicht, sage ich mir. Aber einfach so verschiedene Menschen zu bitten aufzuschreiben, was sie an mir schätzen, ist das nicht „fishing for compliments“, frage ich mich. Auf jeden Fall nicht ganz einfach. Danke für den Gedankenanstoß.

    • Was für ein wundervoller Kommentar, danke sehr!
      Natürlich kann man sich von anderen Feedback über die eigene Person einholen.
      Gerade positives Feedback möchten wir doch hören, wagen aber nicht danach zu fragen.
      Sollte man sofort mit anfangen!!
      🙂


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